© Gerd Maier
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Die elitären und die gewöhnlichen ÖBB-Fahrgäste

In Wien-Meidling steht ein Nobel-Wartesaal leer. Frierende „normale“ Fahrgäste werden von den ÖBB nicht hinein gelassen

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Eine elegante Bar, bequeme Design-Polstersessel, persönliche Betreuung durch freundliches Personal – der Wartesaal im Bahnhof Wien-Meidling (der nun jahrelang als Ersatz-Südbahnhof herhalten muss) wirkt durchaus einladend.

Die meisten ÖBB-Fahrgäste können dieses nette Ambiente jedoch leider nur von außen durch eine Glasscheibe betrachten. Ein Schild verkündet streng, wer in diese große ‘ÖBB Club Lounge’ hinein darf: Leute mit Tickets für die erste Wagenklasse, aber auch nur dann, wenn sie weiter als 50 Kilometer fahren, Leute mit Schlafwagenreservierungen, Journalisten, wenn sie weiter als 50 Kilometer fahren, usw. Hinter der Glastür wacht eine freundliche Frau darüber, dass kein Unbefugter die Erholungszone betritt. Doch die Dame ist fast immer alleine im Raum, wie mehrere Lokalaugenscheine zeigten, da die meisten frierenden Reisenden wohl entweder 2. Klasse fahren, oder weniger als 50 Kilometer.

Gnadenlos geschlossen

Um 21 Uhr wird auch dieser Saal gnadenlos geschlossen. ‘Die ÖBB hat zu wenig Personal, und man braucht für diesen Raum eine Person, die hinter dem Eingang Dienst tut’, erklärt mir ein ÖBB-Beamter. Hier rächt sich bereits der hemmungslose Stellenabbau der vergangenen Jahre. Wer etwa um 6:03 Uhr nach Graz fährt, steht zeitig am Morgen ebenfalls vor verschlossenen Glastüren und muss im zugigen Gang warten.

Eine weitere Enttäuschung für den frierenden Fahrgast: Die neu montierten Glaskabinen auf den Bahnsteigen in Wien-Meidling haben ‘ulkigerweise’ breite Luftschlitze zwischen den Scheiben. Man fühlt sich drin frisch gekühlt, fast wie ein Fischstäbchen. (In anderen Bahnhöfen wurden derartige Schlitze übrigens abgedichtet – ein geringer Aufwand für mitdenkende Architekten.)

Odyssee zum Warteraum für „gewöhnliche“ Bahnreisende

Nach wochenlangen Fahrgastprotesten hat die ÖBB-Führung nun, wie uns ein Informant sagte, angeordnet, dass in einer abgelegenen Unterführung am anderen Bahnsteigende ein eigener Warteraum für Normalsterbliche eingerichtet wird. Eigentlich wollte die ÖBB-Immobilien AG dort irgendwelche gewinnbringenden Shops unterbringen, doch Bahn-Chef Peter Klugar sprach angeblich ein Machtwort.

Er hätte allerdings gut daran getan, lieber die nutzlose, leerstehende ‘ÖBB-Club-Lounge’ für das gewöhnliche Volk zu öffnen, die sich dicht neben Fahrkartenschaltern und U-Bahn-Zugang befindet.

Stattdessen müssen Reisende nun, von der U-Bahn kommend, zwei Stockwerke hinauf zum Bahnsteig überwinden, dann mehr als 150 Meter (!) weit den Bahnsteig entlang laufen, per Treppe oder Aufzug zu einem weiteren Durchgang absteigen und dort eine Weile suchen, bis sie straßenseitig den Wartesaal finden. Derzeit werden darin bereits die ersten Sitze montiert.

Glastüren als Windschutz?

Dann befinden sie sich allerdings am falschen Bahnsteigende: Die Züge halten vorne, wo man von der U6 herauf kommt. Also neuerlich eine lange Bahnsteig-Wanderung. Die beste Lösung wäre die Öffnung der jetzigen Club-Lounge für alle (!) Bahnreisenden. Wenn man unbedingt eine elitäre Club-Lounge für besonders wichtige Reisende bauen will, könnte man dies ja dann in der abgelegenen Ost-Unterführung tun.

Gewöhnliche Reisende, die nicht zum 150 Meter entfernten Saal wandern wollen, sitzen derzeit in der zugigen Durchgangshalle. In einigen Monaten will man dort nachträglich Glastüren einbauen, um wenigstens die kalte Zugluft von den Bahnsteigen abzuhalten.

Eigentlich komisch: Die Verwendung von Wien-Meidling als provisorischer Südbahnhof war seit Jahren bekannt. Das gut bezahlte ÖBB-Management hätte eigentlich schon vor langer Zeit Konzepte entwickeln können, die mehr anzubieten haben als den Bau von eleganten, leerstehenden Club-Lounges für Nobel-Fahrgäste.



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Weitere Infos: Linktipp: Gerd Maiers Homepage - www.gerdmaier.com
GastautorIn: Gerd Maier für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /