© Pro Ybbstalbahn
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„Angepasste Grundversorgung“

Die Heuras-Wilfing-Zibuschka-Verkehrspolitik im Land Niederösterreich

© VP NÖ
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Welchen Stellenwert hat der öffentliche Verkehr in Niederösterreichs Politik angesichts der bevorstehenden Gemeinderatswahlen? Nun, auf der Suche nach einer Antwort findet man zunächst innerhalb der NÖ-Volkspartei (die Unterscheidung zwischen Landesregierung und Partei ist in diesem Stückchen Österreich ja nicht ganz einfach) einen Verkehrssprecher, nämlich Karl Wilfing jun., Sohn des Politikers Karl Wilfing sen.

Was der Verkehrssprecher der VP-NÖ denkt, wenn er von Verkehr spricht, zeigte sich im letzten Wahlkampf: ‘Geben Sie der Autobahn Vorrang – Karl Wilfing’ prangte auf den Wahlplakaten, sowie in etwas holprigem Deutsch ‘Bau S8 und Nordautobahn – Vorrang für unseren Bezirk’. Der nie verwirklichte Ausbau der Zweigbahn nach Poysdorf, dessen Bürgermeister er ist, war ihm hingegen kein echtes Anliegen, zumindest sprach er öffentlich nie darüber.

Klimaschutz nur in Indien?

Verkehrsplaner Friedrich Zibuschka, der einflussreiche Leiter der Abteilung Gesamtverkehrsangelegenheiten beim Amt der NÖ Landesregierung, ist der Mann im Hintergrund, der die Verkehrspolitik in Niederösterreich maßgeblich prägt. Im Jahr 2007 fiel er am Runden Tisch, wo Verkehrsexperten und Politiker gemeinsam mit Auschützern über die zukünftige Verkehrspolitik diskutierten, durch einen originellen Sager auf: Klimaschutz sei primär eine Aufgabe für große asiatische Länder wie Indien und China, nicht in erster Linie für Niederösterreich. (Wobei ein Niederösterreicher pro Kopf viel mehr CO2 produziert als ein Chinese oder Inder.)

Vor den Spielautomaten an der 13. Stelle

Ratlos sucht man als Journalist in NÖ nach einer gestaltenden Kraft, die mit Inbrunst und Fachwissen ein öffentliches Verkehrsnetz mitgestaltet und verbessert. Mag. Johann Heuras ist ‘Niederösterreichischer Landesrat für Bildung, Jugend, Raumordnung und öffentlichen Verkehr’. Seine Homepage http://www.heuras.at/24485/ nennt immerhin 14 Aufgabenbereiche. Nummer 1 bringt einen langen, 9-zeiligen Text zum Thema ‘Schulen’. Punkt 2 befasst sich ebenfalls mit Schulen, 3 mit landwirtschaftlichen Bildungsangelegenheiten, 4 mit Schulen der Krankenpflege, 5 mit dem Schul- und Kindergartenfonds – langsam vermisst man wenigstens eine kleine Anspielung auf das Thema ‘Verkehr’.

Weiter geht es: 6 Erwachsenenbildung, 7 Förderung von Jugendherbergen, 8 Jugendwohlfahrt, 9 Heime, der geheimnisvolle Punkt 10 betrifft ‘Angelegenheiten der Stiftungsverwaltung mit Ausnahme der Verwaltung des Gutsbesitzes Ottenstein’, 11 Integration, 12 Raumordnung und Campingplatzgesetz – ha, dann, auf Platz 13, steht es: ein einziges Wort, nämlich lapidar ‘Gesamtverkehrsangelegenheiten’. Noch weiter hinten, auf Platz 14, steht nur noch ‘Spielautomaten mit Ausnahme der Glücksspielautomatenabgabe’.

Reihenfolge als Zeichen der Wertigkeit?

Nun kann es natürlich sein, dass die Reihenfolge dieser Liste rein zufällig gewählt wurde und in keinster Weise die Wertigkeit dieser Themen in der Landespolitik widerspiegelt. Eine etwas präzisere Schilderung der Thematik würde man sich aber schon wünschen. Zum Thema Schulen insgesamt breite 111 Worte, von Punkt 1 bis 6. Zum Thema (öffentlicher) Verkehr hingegen kurz und knapp das sperrige Wort ‘Gesamtverkehrsangelegenheiten’ am vorletzten Platz vor den Glücksspielautomaten.

Natürlich existiert schon auch eine Detailseite zum Thema ‘öffentlicher Verkehr’. Doch so richtig glücklich wird der verkehrsinteressierte Leser auch dort nicht, wenn er nach konkreten, zukunftsweisenden Initiativen sucht: ‘Auf dem Verkehrssektor ist verantwortungsbewusstes Handeln für die Zukunft des Landes Niederösterreich durch eine umfassende Mobilitätsvorsorge anzustreben’, beginnt der Text. http://www.heuras.at/26168/

Während sich der Leser überlegt, was eine ‘Mobilitätsvorsorge’ eigentlich genau ist, liest er weiter von ‘gesicherten verkehrsträgerübergreifenden Erreichbarkeitsverhältnissen’. – Aha, die Landesregierung soll also Vorsorge treffen, dass zumindest manchmal überallhin irgendein Verkehrsmittel fährt, damit man die Orte auch ohne Auto erreicht, eventuell mit Umsteigen (‘verkehrsträgerübergreifend’!).

Klingt doch gut, der ÖBB-Schaffner könnte künftig sagen, ins Ybbstal kommt man nur mehr verkehrsträgerübergreifend. Also mit Umsteigen in einen Bus. Aber ‘verkehrsträgerübergreifend’ klingt irgendwie schöner als ‘umsteigen’, gell?

Wahrscheinlich meinten die Textschreiber eine gegenseitige Abstimmung von Bahn und Bus, aber genau daran hapert es in vielen Regionen Niederösterreichs ganz enorm.

Grundversorgung, aber nicht mehr?

In einem Satz, der von der Verkehrssicherheit von Schulbussen handelt, wird beiläufig kurz von angestrebten ‘qualitativen und quantitativen Verbesserungen im Bahn- und Busbereich’ gesprochen. Leider ohne Details, obwohl gerade die höchst spannend wären.

Zuletzt wird noch von einer ‘regional angepassten Grundversorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln’ gesprochen, die Ziel der Anstrengungen des Landesrates sei. Eigentlich würde man sich ja eine ‘gute Versorgung mit attraktiven öffentlichen Verkehrsverbindungen’ wünschen.

Wenn man am 23. September Landesrat Johann Heuras hörte, als er ankündigte, dass er ‘das Ybbstal mit einem wirklich sehr guten Buskonzept versorgen’ werde, während die Einwohner seit Monaten vergeblich auf die Schienenreparatur warten und das innovative Betriebskonzept der YEG/Veolia/Bayerischen Oberlandbahn weiterhin ignoriert wird, und sich der Fahrpreis mit der Auflassung der Bahn für viele Fahrgäste verdoppeln wird, da kommen einem die bedrohlich klingenden Worte von Heuras in den Sinn: eine ‘regional angepasste Grundversorgung’, mehr aber auch nicht.



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Weitere Infos: Linktipp: Gerd Maiers Homepage - www.gerdmaier.com
GastautorIn: Gerd Maier für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /