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„Kein Zug – keine Stimme!“

Wie glaubhaft ist Landeshauptmann Erwin Pröll, vier Monate vor der Gemeinderatswahl?

© Gerd Maier
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2008 betonte Pröll die Wichtigkeit der Ybbstalbahn. 2009 lässt Pröll die Verlagerung des Verkehrs auf die Straße zu. Und er verweigert jede Stellungnahme

Der Prospekt strotzte nur so voller Begeisterung: Staatsmännisch blickt Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll den Leser an. ‘Die Ybbstalbahn von Waidhofen/Ybbs nach Lunz am See und Ybbsitz spielt für die Region eine bedeutende touristische Rolle’, wird Pröll zitiert. ‘Am besten lässt sich das Ybbstal dabei natürlich mit der Schmalspurbahn erkunden’, schwärmt der Landeshauptmann. ‘Ob in einem dieser planmäßigen Züge, oder im Nostalgie-Sonderzug – eine Fahrt mit der Ybbstalbahn ist ein Erlebnis für Groß und Klein!’, der Lobpreis von Dr. Erwin Pröll ist kaum zu bremsen.

Die Zitate stammen aus einem Werbeprospekt vom Sommer 2008. Nun, vier Monate vor der niederösterreichischen Gemeinderatswahl, ist plötzlich alles anders. Pröll und sein Verkehrslandesrat Johann Heuras haben die Stilllegung der Ybbstalbahn beschlossen, die Entfernung der Gleise und die Verlegung des öffentlichen Verkehrs auf die Straße. ‘Innovatives Buskonzept’ nennt sich das.

Inwieweit ein Fahrradtransport in den Bussen möglich ist, bleibt unklar, und für ÖBB-Vorteilscard-Besitzer wird sich der Fahrpreis verdoppeln, da die Karte in den Bussen nicht gilt.

Das Büro von LH Pröll will unbedingt die Broschüre sehen

Ökonews rief daher im Büro von Landeshauptmann Pröll an, um den Grund für diesen radikalen Meinungswandel zu erkunden: 2008 öffentliches Eintreten für die Förderung der Strecke, 2009 Beschluss zur Stilllegung. Normalerweise werden Maßnahmen, die Nachteile bringen, ja meist NACH der Wahl durchgeführt, insofern ist der plötzliche Gesinnungswandel von Pröll besonders merkwürdig, um nicht zu sagen, unklug.

Prölls Pressesprecher war nicht erreichbar, dafür werde ich mit einem Herrn Bernhard Heinl aus dem ‘Büro Pröll’ verbunden. Auf die Zitate angesprochen, fragt Heinl leicht irritiert, woher ich die Zitate denn hätte. Als ich ihm von dem Werbeprospekt erzähle, wo sich Pröll, samt Portraitfoto, ausdrücklich für die Wichtigkeit der Ybbstalbahn ausgesprochen habe, schweigt Heinl zunächst. Dann bittet er, ‘…dass Sie mir das schicken, was Sie da gesagt haben, dieses Blatt mit dem Herrn Landeshauptmann drauf.’

Eine Aussage zum Thema gäbe es aber nur vom Landesrat Heuras. Ich beharre darauf, dass ich um eine Stellungnahme des Landeshauptmannes bitte, da dessen radikaler Meinungswechsel für die Bürger vor der Wahl irritierend wirke. Und ich erwähne, dass der Pressesprecher von Landesrat Heuras ebenfalls seit vielen Tagen die versprochene Antwort schuldig geblieben ist (sie ist inzwischen eingetroffen).

Das Büro von LH Erwin Pröll geht auf Tauchstation

Bernhard Heinl bittet mich um meine Rückrufnummer und verspricht, er werde sich melden. Ich maile ihm die Broschüre, doch es kommt keine Antwort. Nie mehr. Ich frage telefonisch im Sekretariat nach, er sei nicht erreichbar, heißt es, ich maile Herrn Heinl zweimal an, doch das Büro Pröll ist offenbar nicht bereit, die Politik des Landeshauptmannes mit unabhängigen, kritisch fragenden Journalisten zu diskutieren.

Der Gehorsam der meisten niederösterreichischen Redaktionen gegenüber der Landesregierung ist ja – wie man in internen Kreisen weiß – legendär.

Ökonews bleibt neugierig. Vielleicht ist Pressesprecher Peter Kirchweger oder Herr Bernhard Heinl ja doch noch bereit, den Sinneswandel von Landeshauptmann Pröll den Wählern zu erklären. Andernfalls könnten empörte Bürger bei der Gemeinderatswahl im März gegen die Regierungspartei stimmen: Nach dem Motto ‘Kein Zug, keine Stimme’!



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Weitere Infos: Linktipp: Gerd Maiers Homepage - www.gerdmaier.com
GastautorIn: Gerd Maier für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Lukas Pawek /