© Michael Sigmund
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Wo bleibt die Bahn rund um Wien? Noch mehr Information

Notwendiger Ausbau im Schienennetz- Oekonews Recherche mit Fortsetzungen

Seitenlinie nach Poysdorf: kürzlich wurde das Gleis weggerissen!

Poysdorf liegt an der Brünner Strasse, tausende Pendler stauen sich täglich quer durch die Stadt. Vor mehr als 10 Jahren hat sich Poysdorf gegen eine Umfahrung ausgesprochen, wie mir der Poysdorfer Bürgermeister kürzlich mitteilte. Nun schwärmt er von der Autobahn, die von Tschechien quer durchs Weinviertel nach Wien gebaut werden solle. Einst hatte Poysdorf auch einen Bahnanschluss. Nur etwa 10 Kilometer entfernt verläuft die Strecke Wien-Laa, die seit Dezember 2006 einen Schnellbahntakt besitzt. Ein 10 Kilometer langer Schienenstrang von Poysdorf hin zu dieser Schnellbahn existierte bis vor kurzem, jedoch fuhren schon seit den 60er Jahren dort keine Züge mehr. Triebwagenzubringer von Poysdorf zur Schnellbahn könnten verhindern, dass fast alle Pendler künftig das Auto benützen. Denn wer einmal im Auto sitzt, fährt nicht zur Schnellbahn, sondern auf der Autobahn nach Wien. Übrigens hat die ÖBB 2003 das Gleis nach Poysdorf beseitigen lassen, der einstige Umsteigebahnsteig in der Station Enzersdorf bei Staatz, wo früher die Züge nach Poysdorf abfuhren, wurde 2003 beim Umbau der Schnellbahnlinie weggerissen.

Fazit: Es gibt laut ÖBB-Planern wichtigere Projekte als dieser Seitenast - das mag stimmen. Die Bahn darf sich jedoch nicht nur auf Hauptstrecken konzentrieren, sondern muss wieder die Fläche gewinnen. Ein Zubringer nach Poysdorf wäre ein Signal in diese Richtung. (Chancen auf Umsetzung: minimal.)

Ein Beispiel für die Zerstörung von Nebenbahnen: Sinnloses Umsteigen in Obersdorf: Viel Aufwand und wenig Wirkung

Einst fuhren nur drei Züge pro Tag auf der Strecke zwischen Wien-Stammersdorf und Groß-Schweinbarth im Weinviertel. 1988 wurde der innerste Streckenteil stillgelegt, eine Umsteigestation zur Schnellbahn in Obersdorf-Pillichsdorf errichtet, und ein Stundentakt eingerichtet. Nachmittags fahren die Züge sogar alle halben Stunden. Das Projekt war ein unglaublicher Erfolg, die Treibwagen waren oft voll besetzt.

2005 wurde die Schnellbahnstrecke (Wien-Wolkersdorf) mit aufwändigen Bauarbeiten auf zwei Gleise ausgebaut, was einen Neubau der Umsteigestation nötig machte. Naheliegend wäre nun die Errichtung eines Gleisbogens gewesen, der die Nebenstrecke in die Hauptlinie einmünden lässt. Die Dieseltriebwagen aus dem Weinviertel hätten die Pendler dann gleich direkt über Gerasdorf nach Leopoldau und Floridsdorf zur U1 und U6 bringen können. Kapazitätsmäßig hätte die Strecke die zusätzlichen Fahrten problemlos vertragen. Stattdessen wurde in Obersdorf eine pompöse neue Umsteige-Station aus Glas und Metall mit einem Aufzug hingebaut, wo die Menschen nun wie bisher einen weiten Weg gehen und wie bisher Umsteigen müssen. Ein riesiger Parkplatz wurde errichtet, der die Leute einlädt, mit dem Auto gleich direkt aus dem Weinviertel zur Schnellbahn zu fahren und die Nebenlinie zu ignorieren. Und wenn dann erst einmal ganz in der Nähe der Autobahnring um Wien samt Nordautobahn gebaut wird, fahren die Pendler mit ihrem PKW wohl gleich weiter in die Stadt.
Eine ÖBB, die sich wie eine Privatfirma verhalten soll (so lautet ja der politische Auftrag), sucht immer die billigste Lösung. Diese billigste Lösung (hier eine neue Umsteigestation) ist jedoch oft verkehrspolitischer Schwachsinn. Oft sind es Kleinigkeiten, die darüber entscheiden, ob eine Bahnlinie als attraktiv empfunden wird oder nicht.

Fazit: Anstatt Nebenbahnen stillzulegen, ist es notwendig, diese attraktiv zu organisieren. Gewinne aus den Hauptstrecken müssen durch Querfinanzierung dazu verwendet werden, auch jene Nebenstrecken zu erhalten, die keinen Gewinn machen, jedoch aus verkehrspolitischen Gründen Sinn machen.

Einstellung von Nebenbahnen: Die ÖBB sparen, die Fahrgäste zahlen drauf

Oft argumentieren die ÖBB, dass sich die Fahrgäste ja angeblich freuen, wenn Nebenbahnen durch eine Buslinie ersetzt werden. Es stimmt zwar, dass manche Bahnhaltestellen außerhalb des Ortes liegen, während ein Bus direkt im Zentrum hält. Gleichzeitig bedeutet ein Bus aber auch gravierende Komfort-Verschlechterungen:

* Busse haben meist eine längere Fahrzeit als Züge.
* Beim Warten auf den Bus stehen die Fahrgäste im Freien. (kein Bahnhofsgebäude, kein Warteraum)
* Für viele Fahrgäste verteuert sich die Fahrt auf das Doppelte! (Im Bus gilt keine Vorteilscard)
* Im Bus gibt es kein WC.

Sicher bringen vielen Nebenstrecken keinen Gewinn. Aber Museen, Spitäler und Schwimmbäder werden auch nicht gleich zugesperrt, wenn sie nicht gewinnbringend sind. Im übrigen sind viele Kostenberechnung der ÖBB (absichtlich?) falsch, da beispielsweise prozentuelle Bahnhofskosten von Umsteigebahnhöfen willkürlich mit einbezogen werden, was eigentlich unzulässig ist (Beispiel Mürzzuschlag, Strecke nach Neuberg).

Fazit: Nebenbahnen sind nicht wie eine Privatfirma zu betrachten, die bei mangelnder Gewinnerwirtschaftung einfach zugesperrt wird. Vielmehr sind sie ein Stück Infrastruktur und können dazu dienen, Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Außerdem sind Strecken wie jene in der Wachau (die von der ÖBB kürzlich teilweise inoffiziell stillgelegt wurde*) ein Stück Kulturgut, das nicht nur am erwirtschafteten Profit gemessen werden darf.

(* Südlich von Spitz verkehren im Sommer täglich zwei Alibizüge, um offiziell beim Ministerium keine Streckensperre anmelden zu müssen. Im Winter fährt nichts mehr. Wegen angeblicher Steinschlaggefahr wurden auch die Alibizüge 2006 teilweise auf Bus umgestellt.)

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Weitere Infos: Linktipp: Gerd Maiers Homepage - www.gerdmaier.com
GastautorIn: Gerd Maier für oekonews.
Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /