© Pavek
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Warum für Bürokraten Zutritt verboten ist - oder wie man "am Ende der Welt" die Welt verändern kann

Ein tschechischer Bürgermeister bringt Windenergie und zwei Biomasseanlagen für öffentliche Gebäude in sein Dorf und erstmals nach Tschechien - unser Held des Monats Petr Pavek

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Ein Dorf fast am Ende der Welt, kaum auf der Landkarte zu finden, mit nur 852 Einwohnern, gleichzeitig ein wunderschöne Berggegend ganz im Norden von Tschechien. Im tschechisch-deutsch-polnischen Dreiländereck jenseits des Riesengebirges liegt dieses Dorf. Hier weiß man trotzdem genau, was man will. "Bürokraten ist der Zutritt verboten", warnt ein Schild bei der Ortseinfahrt - fast wähnt man sich bei den Galliern- nur unser Dorf heißt JINDRICHOVICE POD SMRKEM und liegt in Tschechien. Hier wird nicht gegen die Römer, sondern gegen unnötige Bürokratie, für Erneuerbare Energie und für Nachhaltigkeit gekämpft. Bürgermeister Petr Pavek hat in Jindrichovice einen Gemeindeumweltfond gegründet, der sich zur Agenda 21 bekennt. Die öffentlichen Gebäude werden mit Biomasse beheizt und bringen gemeinsam mit den zwei ersten Windrädern Tschechiens und einem ökologischen Informationszentrum interessierte Besucher aus ganz Tschechien hierher. Deswegen haben wir den Bürgermeister von Jindrichovce für Sie zu unserem Helden des Monats gemacht.

Oekonews: Herr Pavek, wie kam das alles?

PETR PAVEK: Ich bin eigentlich ein typischer Aussteiger- ich hatte in Deutschland studiert, war dann im IT-Bereich tätig und habe viel gearbeitet und auch ganz gut damit verdient. 1994 bin ich dann ausgestiegen und habe mir das Ende der Welt gesucht. Die Gegend ist ein vergessenes Stück Land. Ich habe eine alte Mühle gekauft und bin eigentlich mehr oder weniger zufällig hier gelandet, ich wollte einfach einen ruhigen Platz. Für die Leute im Dorf war ich reich, niemand ist hierher gezogen, sie verstanden mich zuerst nicht. Erst als ich schon hier wohnte, ist mir klar geworden, was hier passiert. Die Bevölkerung zog weg und nicht her.

1996 ging ich dann nochmals weg und habe in Kanada ein Post Graduate Studium gemacht. Und als ich zurückkam, hatte ich Interesse daran, was sich in der Politik tut. Ich habe mir alle politischen Programme der damals in Tschechien existierenden Parteien angesehen. Im Programm einer liberalen Partei, die damals auch in der Regierung vertreten war, fand ich viele Punkte, die mir gefielen. Ich sprach mit den Mitgliedern, und auf einmal war ich 1997 der Parteisprecher, das ging furchtbar schnell und als ich soweit war, bemerkte ich, das hat nichts mehr mit der Umsetzung vor Ort zu tun. Ich wollte für meine Region etwas erreichen. 1998 habe ich dann parteilos als Bürgermeister kandidiert. Und wurde prompt gewählt. Aber durch die Unterentwicklung der Region konnte ich die Probleme nicht vor Ort lösen. So bin ich immer wieder damit konfrontiert worden, hinausgehen zu müssen, bis nach Prag. Ich musste einfach Kontakte knüpfen und Lobbying betreiben, sonst wäre nichts passiert.

Wenn es unser Dorf und mich nicht gäbe, so wäre viel noch nicht passiert, was erneuerbare Energie in Tschechien betrifft. Erst durch unser Projekt ist es mir gelungen, das Thema Erneuerbare Energie umzusetzen. Im Jahr 2000 war unser Biomasseprojekt das Erste im Norden Tschechiens.

OEKONEWS: Ausstieg und Politik, wie passt das zusammen?

PETR PAVEK: Ich habe immer die Natur geliebt, das war auch ein Grund, hierher zu gehen. Die Politik habe ich für mich eigentlich als Werkzeug der Wirtschaft gesehen. Erst in den letzten Jahren wurde ich in meinem Herzen immer mehr grün. Und ich habe erkannt, wie wichtig es ist, sich für eine nachhaltige Welt einzusetzen. Daher haben wir nun auch eine Partei gegründet, die sich SOS nennt. Ich habe die Nase voll von zentralistischer Politik, daher werde ich einen Kreuzzug nach Prag machen müssen.

OEKONEWS: Wohin soll sich das Land entwickeln?

PAVEK: Es geht nicht darum, Entwicklungen zu stoppen, sondern es geht darum, die richtigen Wege zu gehen, auch bei den Strassen. Das ist bei manchen Entscheidungsträgern und bei der Betonlobby nicht zu erwarten. Eine volksnahe Bewegung muss dem etwas entgegenstellen, es wird sonst eine Null-Politik gemacht.

OEKONEWS: Das haben sie erst hier bemerkt?

PAVEK: Für mich war das Leben auf dem Land auch ein Lernprozess. Ich bin sogar zum Bauern geworden. Ich habe auch ein paar Ziegen und Kühe. Ich habe gelernt: Einfache Fragen brauchen klare und einfache Antworten. Der Landmensch fragt: Was habe ich davon und wofür ist es gut?

OEKONEWS: Was meinen Sie zu Temelin?

PETR PAVEK: Temelin ist ein Monsterprojekt, noch aus der kommunistischen Ära, und man hat das nicht rechtzeitig gestoppt. Es hat zwei Gigawatt Leistung und ich bin nicht bereit, schon allein von der Größe her, da eine positive Diskussion darüber zu führen. Als Techniker und als Mann kann ich ja eine technische Begeisterung dafür noch irgendwie nachvollziehen, aber 50 Jahre nach der Einführung von AKWs fehlen uns nach wie vor die Lösungen, und genau deswegen ist die Atomkraft nicht mehr glaubhaft. AKWs sind eine ‘JulesVerne’ Vision die sich absolut nicht erfüllt hat, die Zukunft der Energieerzeugung sind sie nicht. Es tut mir leid um die Männer, die diesem ‘Ding’ so viel Zeit gewidmet haben, statt sie in sinnvollere Forschung zu investieren.

OEKONEWS: Was sind Ihre nächsten Ziele?

PETR PAVEK: Meine größten Ziele sind: Die Nachhaltigkeit als ernst genommenes Thema in die Politik zu bringen, sie so weit zu etablieren, dass kein Weg daran vorbeigeht.
Die Erneuerbaren Energien auch in der Politik soweit zu etablieren, dass es nicht mehr notwendig ist, für sie zu kämpfen.
Wir müssen den Mut aufbringen, von den normalen Steuern wegzukommen, in der ganzen Welt, nicht nur in Tschechien oder in Europa. Wir leben in einer globalisierten Gesellschaft. Wirtschaftliches Wachstum ist nicht mehr gleich Arbeitsplätze. Heute reicht es nicht, so weiter zutun wie bisher. Das Steuersystem ist das mächtigste Werkzeug der Regierung, die Ressourcen sind zu belasten und nicht die Arbeitgeber oder die Arbeitnehmer. Freiwillig oder gezwungen, das spielt gar keine Rolle. Das System ist nicht mehr zeitgemäß.

OEKONEWS: Was ist Ihr Lebensmotto?

PAVEK: Global denken, lokal handeln. – Und das auch wirklich umsetzen.


Wir werden auf OEKONEWS in Kürze mehr über die Aktivitäten in Jindrichovice berichten. Erste Informationen: Jindrichovice


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /